Der egalste Mann der Welt
Stefan saß auf dem Klo, als
es geschah. In dem Moment, als er für seine körperlichen
Anstrengungen mit dem erleichternden Absondern einer Fäkalwurst von
respekteinflössender Größe belohnt wurde, spürte er dieses
eigenartige Kribbeln am ganzen Körper. Das kleine Badezimmer löste
sich in grellem Licht auf und Pfeifen und Rauschen
übertönte die eben noch vernehmbaren Alltagsgeräusche. Stefan war
sicher, dass er soeben gestorben sein musste, wie seien diese
Ungewöhnlichkeiten sonst zu erklären? Ein wenig enttäuscht war er,
dass das Vorbeiziehen des eigenen Lebens in Bildern, von dem er im
Vorfeld öfter gehört hatte, nicht statt fand. Andererseits hatte er
das ja alles schon gesehen und die Dinge, die ihm nicht in Erinnerung
geblieben waren, hatten dies wohl bestimmt auch nicht verdient. Aber
die Tatsache, dass er mit seinen gerade mal Ende dreißig schon
gehen sollte, nervte ihn schon. Sein Leben war vielleicht nicht das
Aufregendste, aber im Großen und Ganzen war er recht gerne lebendig
gewesen. Jetzt zu sterben erschien ihm nicht ganz fair.
Daher war es natürlich erstmal eine
Erleichterung als er feststellte, dass das Pfeifen verstummte und
sich aus dem grellen Licht um ihn herum langsam wieder irdische
Räumlichkeiten zu materialisieren schienen, was ihn überzeugte, dass dies wohl doch noch nicht sein Ende war. Nach einigen Sekunden
fand er sich auf einem Hocker wieder, umringt von großen, noch
schwach glimmenden Leuchtringen, die, sowie das Licht ganz erloschen
war, in eine sich öffnende Bodenvertiefung herabfuhren, so dass
Stefan nun der Blick auf den Rest seines neuen Standortes ermöglicht
wurde. Der Hocker befand sich in der Mitte eines weiß gekachelten Raums. Um Stefan standen einige Frauen und Männer
in weißen Kitteln und getönten Schutzbrillen. Sie waren allesamt
geradezu lächerlich attraktiv und makellos.
Eine Frau löste sich aus der Gruppe
der überschönen Menschen, zog die Schutzbrille ab und näherte sich dem doch
nicht Verstorbenen.
„Stefan Schmitt?“, fragte sie
„Öhm… ja?“, entgegnete dieser
und wurde sich in diesem Moment der Tatsache bewusst, dass er
immernoch mit heruntergelassener Hose dort saß. Er korrigierte
diesen Missstand umgehend, wobei er sich bemühte die Tatsache zu
ignorieren, dass ihm durch den abrupten Ortswechsel keine Zeit zum
Abwischen geblieben war. „Mist, in spätestens ’ner halben Stunde
wird’s jucken“, dachte er sich, bevor er seine Aufmerksamkeit
wieder der bildschönen Person vor ihm widmete. Diese blickte
ausdruckslos auf ihr Klemmbrett und las laut vor: „Stefan Schmitt,
38 Jahre, ledig, geboren, aufgewachsen und wohnhaft in Haßloch,
Rheinland Pflalz, Büroarbeiter in Vollzeitbeschäftigung“,
„Öhm… ja? Öhm… nein, nicht
so wirklich ledig, ich…“,
„Achso ja richtig, hier steht es ja:
unverheiratet, kinderlos, in einer langjährigen Partnerschaft mit
einer gewissen Erika Müller. Nun, Herr Schmitt, Ihre Partnerin hätte
sich acht Tage nach Ihrem Verschwinden ohnehin von Ihnen getrennt.
Ihr missfiel das Defizit an Spannung und Leidenschaft in der
Beziehung.“,
„Öhm…“,
„Herr Schmitt, wir haben Sie für
unser Programm 'Menschheitserhalt 2.0' ausgewählt. Sie haben die
einmalige Ehre, das Aussterben ihrer eigenen Spezies zu verhindern.
Wir hoffen daher sehr, dass Sie bereit sind zu kooperieren.“
„Öhm…“, erwiderte Stefan und
wand sich unbehaglich auf seinem Hocker, nicht bedenkend, was sich
dadurch in seiner Hose noch weiter verteilte.
„Öhm …“, wiederholte er, „wo,
öhm, bin ich eigentlich?“,
„Die Frage ist nicht 'wo', sondern
'wann'!“, meldete sich einer der übrigen Makellosen geheimnisvoll
zu Wort und zuckte sogleich unter dem erbosten Blick der vorherigen
Wortführerin zusammen. „Professor Korkimaktus, wir hatten uns doch
darauf geeinigt, dass es eben jene Zeitreisephrasen sind, die dem
seriösen Image unseres Instituts schaden. Letzte Verwarnung!“,
zischte sie den Mann an, ehe sie sich wieder Stefan zuwandte: „Wobei
der Kollege durchaus recht hat. Das wäre in der Tat die sowohl
interessantere, als auch die für diese Unterhaltung zielführendere
Frage. Sie befinden sich in der Zeitmaschine des Fraunhoferinstitus
im Jahre 2571 n.H.“,
„öhm … n. H.?“,
„Nach Hawking. Unterbrechen Sie mich
nicht, Herr Schmitt! Die Menschheit hat sich seit Ihrer Zeit stark
weiterentwickelt. Die letzte große Errungenschaft ist eine neue
Energiequelle, mit der wir in der Lage sind all unsere
Alltagstechnologie ganz ohne Kabel zu betreiben.“,
„Öhm… Also.. sowas wie
W-Lan-Strom?“,
„Ja Herr Schmitt, das ist für ihr
begrenztes Maß an Intelligenz vermutlich die nachvollziehbarste
Formulierung, also belassen wir es dabei. Also, wie dem auch sei, es
war ein großartiger Erfolg, der das Leben erheblich vereinfacht hat,
allerdings hatte dies den bedauerlichen Effekt, dass alle
Mitmenschen, die bis dato biologisch zur Samenproduktion fähig
waren, eben jene Fähigkeit binnen Sekunden nach Freisetzung der
erforderlichen 'W-Lan-Strom-Strahlung' verloren haben. Leider wurden
auch eingelagerte Samenvorräte unbrauchbar. Der Schaden ist
irreparabel.“
„Oh“, sagte Stefan,
„'oh' trifft es recht gut, Herr
Schmitt. Wir konnten die schädliche Nebenwirkung der Strahlung
inzwischen beseitigen, Ihre Reproduktionsfähigkeit ist
dementsprechend nicht gefährdet. Wir hoffen nun auf Ihre
Unterstützung um das Aussterben der Menschheit zu verhindern.“,
„Öhm… ok … Also… warum jetzt
eigentlich ich?“,
„Sie waren der einzig mögliche,
perfekte Kandidat für das Projekt 'Menschheitserhalt 2.0'“,
„Oooh“, sagte Stefan mit stolz
geschwenkter Stimme,
„Da Sie“, fuhr die schöne
Professorin fort, „die einzige Person in der Menschheitsgeschichte
sind, deren Herauslösen aus ihrem natürlichen Zeitstrahl nicht die
geringsten Auswirkungen auf die darauffolgenden Geschehnisse hat.“,
„Oh.“, sagte Stefan mit leicht
enttäuschter Stimmer.
„Ja. Sehen Sie, rein theoretisch
haben wir bereits seit Jahrzehnten das Wissen und die Technologie um in der Zeit zu
reisen. Es wurde allerdings bis heute nie in die Praxis umgesetzt, da
uns noch für keine angedachte Zeitmission grünes Licht von dem
Programm gegeben wurde, das die Folgen eines Eingriffs in die
Vergangenheit berechnet. Ich denke sogar Sie, Herr Schmitt, können
sich die Problematik vorstellen. Nehmen wir an, ein Zeitreisender
tritt irgendwann in der Vergangenheit versehentlich auf eine Spinne,
die dadurch eine Stunde später nicht auf der Türklinke eines Cafés
sitzen wird, was eine Dame daran gehindert hätte, jenes
Etablissement zu betreten, wo sie nun aber dadurch Bekanntschaft mit
einem jungen Herren macht, mit dem sie später ein Kind zeugt,
welches im Erwachsenenalter kriminell wird und einen Jugendlichen
ermordet, der andernfalls, hätte er lange genug gelebt um sich
fortzupflanzen, der Vorfahre eines Masseurs geworden wäre, dessen
sehr gute Arbeit dafür gesorgt hätte, dass eine gestresste
Wissenschaftlerin genug entspannen konnte um einen guten Einfall zu
bekommen, der zum Erfolg der Zeitreiseforschung beigetragen hätte.
Sie verstehen, worauf ich hinaus will?“,
„Öhm … ja, dings. Chaostheorie?“,
„Das war in Ihrer Zeit die nette
'Schmetterlingsflügelschlag führt zu Orkanen'-Theorie, richtig? Ja,
der Vergleich funktioniert durchaus. Nur sind die Auswirkungen
kleinster Abweichungen bei Zeitreisen selbstverständlich sehr viel
weitreichender. Ein solches Paradoxon, wie in meinem Beispiel
beschrieben, hätte die sofortige und endgültige Auslöschung des
gesamten Universums zur Folge. Sie verstehen die Problematik?“
„Öhm … denke schon“,
„Gut. Nun ist es aber so, Herr
Schmitt, dass unsere Berechnungen ergeben haben, dass Ihr komplettes
Leben von vorne bis hinten keine Rolle spielt. Ob und wie sie aus dem
Leben scheiden, ist absolut irrelevant für den weiteren Verlauf der
Geschichte. Sie sind einfach allumfassend egal, Herr Schmitt.“
„Öhm … ok …“,
„In ihrer Zeitline gab es sogar
gleich mehrere Gelegenheiten, für die uns das Programm grünes Licht
gegeben hat. Erstaunlich. Niemand von uns hätte zu glauben gewagt,
dass es überhaupt möglich ist, dass ein menschliches Wesen in
diesem Universum so unwichtig sein kann, wie Sie es offenkundig sind.
Die Entscheidung zum Zeitpunkt unserer Mission ist auf Ihren
morgendlichen Toilettengang an diesem Tag gefallen, da uns das
Restrisiko, doch irgendeinen größeren Schaden zu verursachen, für
diesen Moment am geringsten erschien. Trotzdem mussten wir sehr
präzise und schnell eingreifen, um nicht beispielsweise
versehentlich die Fensterscheibe des Raumes zu beschädigen, was, Sie
ahnen es sicher, das Ende allen Seins zur Folge gehabt hätte.“
„Öhm … das heißt …“,
„Ja, Herr Schmitt, das heißt, ihr
Badezimmerfenster ist relevanter als Sie.“
„Öhm oh. Aber… Meine Freundin,
meine Kollegen.. Sucht man nicht nach mir?“
Die Frau im Kittel räusperte sich.
„Was ich vergaß zu erwähnen: Ihren Körper haben wir in Ihrer
Zeit mit einem leblosen Duplikat ersetzt. Diagnose Herzinfarkt. Man
hat sich nicht lange damit beschäftigt. Sämtliche Auswirkungen, die
ihr Ableben verursacht hat, also Finden, Untersuchen, Lagern,
Bestatten Ihres Körpers und dergleichen Dinge, waren so gering, dass
sich die Ereignisse danach schnell wieder in die korrekten Bahnen
eingefunden haben. Wie bereits erwähnt, Herr Schmitt, hätte Ihre
sogenannte Lebensabschnittsgefährtin die Beziehung ohnehin bald
beendet. Demnach haben wir ihr lediglich den Gefallen getan, dass sie
anstatt sich mit einem schlechten Gewissen Ihnen gegenüber zu
quälen, trauern konnte. Wenn auch ein wenig geheuchelt, wenn man
bedenkt, wie wenig Sympathie sie Ihnen zu diesem Zeitpunkt nur noch
entgegengebracht hatte. Die psychologischen Unterschiede zwischen Trauer und schlechtem Gewissen sind hier so
marginal, dass dies keinen Unterschied gemacht hat.
Auf der Arbeit hat man sich ein, zwei
Tage über Ihr Fehlen geärgert. Ihre Aufgaben konnten aber
problemlos unter den übrigen Mitarbeitern verteilt werden, sodass
keine Neuanstellung nötig war.“
„Öhm… aber wenn ich da jetzt
weiter gelebt hätte, hätte ich doch bestimmt irgendwann mal…“,
„Nein, Herr Schmitt.“
„Aber…“,
„Sie hätten nie etwas zu irgendwem
gesagt, oder etwas gemacht, was einen besondern Einfluss auf andere
Menschen gehabt hätte. Sie sind eine beeindruckend uninspirierende
Persönlichkeit. Sie wären bis zur Rente in Ihrem Job geblieben,
nach Feierabend nach Hause, hätten dort Fernsehen geschaut und
gelegentlich mit Ihren oberflächlichen Bekanntschaften, die Sie
gerne als 'Freunde' bezeichnet haben, in einer Kneipe Banalitäten
ausgetauscht und wären irgendwann ohnehin auf der Toilette einem
Herzinfarkt erlegen. Wir haben dieses Ereignis in Ihrem Zeitstrahl
lediglich etwas vorgezogen.“
„Öhm…“
„Herr Schmitt, ich sehe keinen Grund
so schockiert zu schauen. Wir alle sind Ihnen sehr dankbar für Ihren
Entschluss ein in keinster Weise ambitioniertes Leben zu führen.
Wäre Ihre gesamte Existenz nicht so vernachlässigbar, wären Sie
für unser Programm unbrauchbar gewesen. Hätten Sie im Laufe Ihres
Lebens auch nur eine ansatzweise nennenswerte Charaktereigenschaft
entwickelt und wenigstens einen Menschen dazu gebracht, Sie
bedingungslos zu lieben oder wenigstens ehrliches Interesse an Ihnen
zu entwickeln, wären wir jetzt verloren, Herr Schmitt. Wir danken
Ihnen. Danke, Herr Schmitt, dass Sie so unglaublich nichtig sind.“
„Öhm… gern geschehen?“
„Nun hoffen wir natürlich, dass wir
auf Ihre Kooperation setzen dürfen.“
„Öhm, achso, heißt das ihr, ähm,
also Sie wollen, dass ich… Also heißt das, ich darf, öhm, soll…“,
er deutete unsicher, aber hoffnungsvoll auf die weiblichen
Kittelträgerinnen im Raum.
„Nein Herr Schmitt.“, unterbrach
ihn die Rednerin mit einem amüsierten Unterton, der zum ersten Mal
eine für Stefan erkennbare Art menschlicher Regung vermuten lies.
„Nein nein, der von Ihnen angedeutete
natürliche Akt der Befruchtung wäre bei der Menge an zu befruchtenden Frauen weder logistisch umsetzbar,
noch in irgendeiner Weise von unserer Seite erstrebenswert, das
müssen Sie verstehen. Wir würden Ihnen lediglich eine kleine
Samenspende entnehmen, diese dann im Labor optimieren, duplizieren,
variieren…“,
„optimieren?“,
„Ja, Herr Schmitt, selbstverständlich
haben wir ein großes Interesse daran, dass Ihre Nachkömmlinge, also
die Generation, die den Fortbestand der Menschheit sichern soll,
nicht Ihren Mangel an Intelligenz, Ehrgeiz und Talent erbt, das
verstehen Sie doch sicher.“
„Öhm…“,
„Zudem müssen wir natürlich
sicherstellen, dass die Variationen Ihrer Spende weit genug vom Original
abweichen um Inzest-bedingte Fehlbildungen bei kommenden Generationen
vorzubeugen.“
„Klar.“
„Hinzu kommt, dass Ihr Maß an
Attraktivität, welches selbst nach den Maßstäben Ihrer Zeit
bestenfalls als durchschnittlich zu bewerten ist, selbstverständlich
nicht ansatzweise dem entspricht, was wir als schön empfinden. Ich
meine, sehen Sie uns doch an.“
„Ja. Ok. Öhm. Können Sie nicht
gleich alles einfach selbst im Labor.. Irgendwie so quasi
zusammenkochen oder so?“
Die Frau im Kittel seufzte erstaunlich
emotionslos: „Könnten wir, Herr Schmitt, könnten wir. Es gab auch
lange und aus der Sicht einiger Menschen sehr erfolgreiche Bemühungen
in der Richtung, allerdings hat die Ethikkommission entschieden, dass
das Projekt 'Menschheitserhalt 1.0' einzustellen sei, da den
Emporkömmlingen dieser Versuchsreihe, die menschliche Komponente
fehle. Man befürchtete, sie wären nicht in der Lage Empathie und
dergleichen zu entwickeln.“
„Ah… und öhm… Sie sind jetzt die
Menschen, die bei dem Projekt entstanden sind?“
„Was? Nein, wie kommen Sie darauf?“,
„Öhm…“,
Es entstand eine recht unangenehme
Pause voller verwirrtem Stirnrunzeln auf Stefans Seite und
unbehaglichem Fehlen jeglicher Mimik seitens der sehr schönen
Professorin. Die Frau beschloss nach einigen Sekunden die Frage
nicht weiter zu beachten und die Konversation unbeirrt fortzusetzen:
„Nun, Herr Schmitt, können wir auf Ihre Unterstützung zählen?“
„Ja, öhm, denke schon. Was muss
ich’n da machen?“, fragte Stefan.
„Sie müssen überhaupt nichts
machen, Herr Schmitt. Sie bleiben einfach so sitzen. Wir haben an
Ihrem Hocker eine Apparatur installiert, die alles Nötige übernimmt.
Kann es losgehen, Herr Schmitt?“
„Öhm…“, bevor Stefan ein
weiteres Wort sagen konnte, fuhr ein metallener Sichtschutz
kegelförmig um seinen Köper hoch, bis nur noch sein Kopf aus einer
Öffnung herauslugte. Was daraufhin hüftabwärts seines Körpers
vonstatten ging, konnte er lediglich erahnen. Es nahm jedenfalls nur
wenige Sekunden in Anspruch, in denen sich zunächst ein beinahe
unangenehm intensives Hochgefühl einstellte, welches in der nächsten
Sekunde Erschöpfung, leichter Enttäuschung und Scham wich.
Schließlich erfolgte ein Piepton, den Stefan an seine
Mikrowelle erinnerte. Der metallene Sichtschutz fuhr wieder herunter
und offenbarte neben Stefan einen dünnen Metallarm, der ein mit
einer milchigen Flüssigkeit gefülltes Reagenzgläschen hielt.
Stefan stellte mit Erstaunen fest, dass die seltsame Apparatur allen
Anschein nach zusätzlich sein Hemd und seine Hose gereinigt und
gebügelt hatte, und ihm beschlich zudem das Gefühl, dass die
übriggebliebenen Verunreinigungen durch seinen morgendlichen
Stuhlgang ebenfalls beseitigt waren.
„Öhm… war’s das?“, fragte er.
„Ja, Herr Schmitt, das war es
schon.“, antwortete die Frau, trat einen Schritt näher und nahm
das Reagenzglas an sich.
„Wir danken Ihnen für ihre
Kooperation. Sie haben soeben den Fortbestand der Menschheit
gesichert.“, fügte sie im sachlichen Ton hinzu und sie und ihre
Kollegen belohnten Stefans Mitarbeit mit einem etwa zweiminütigen,
sehr exakt getakteten Applaus in angenehmer Lautstärke.
„Ja, passt schon“, winkte Stefan
ab, „So interessehalber: Was hätten Sie denn gemacht, wenn ich
nein gesagt hätte?“,
„In diesem Fall hätten wir Ihnen ein
geruchloses Gas zugeführt, durch das Sie eingeschlafen wären. Die
Samenspende hätten wir Ihnen in der Zeit Ihrer Bewusstlosigkeit
entnommen und nach Ihrem Erwachen hätten wir Ihnen versichert, eine
alternative Lösung für unser Problems gefunden zu haben.“
„Öhm… also… das heißt… Sie
hätten mich unter Drogen gesetzt und… vergewaltigt?“
„Wir haben uns im Vorfeld lange mit
der Ethikkommission beraten, ob dieser Eingriff als Vergewaltigung zu
bewerten gewesen wäre.“,
„und?“,
„wir haben beschlossen, es nicht so
zu bewerten.“,
„Öhm… Achso ok… Öhm… was
passiert jetzt eigentlich mit mir?“
„Da wir Ihnen sehr dankbar für Ihr
Mitwirken sind, versteht es sich, dass wir für Ihr Wohl sorgen
werden. Wir haben Ihnen ein Apartment ganz im Stil Ihrer früheren
Wohnung eingerichtet. Werktags steht Ihnen in einem Nebengebäude eine Bürosimulation zur
Verfügung, in der Sie wichtig anmutende Papiere stempeln und
irgendwo hinschicken können. Zweimal die Woche schicken wir Ihnen
abends zwei Männer vorbei, die mit Ihnen Karten spielen und
gemeinsam mit Ihnen alkoholische Getränke konsumieren werden. Wenn es Ihnen sonst an
irgendetwas fehlt, können Sie sich jederzeit melden, man ist Ihnen
stets gerne behilflich. Haben Sie noch irgendwelche Fragen? Nein?
Dann wird mein Kollege Sie zu Ihrem neuen Zuhause begleiten. Ich
wünsche Ihnen ein angenehmes Leben.“
Mit diesen Worten verließ die
wunderschöne Frau im Kittel mit einigen ihrer ebenso wunderschönen
Kolleginnen und Kollegen den Raum. Einer der übrigen wunderschönen Professoren
forderte Stefan auf ihm zu folgen, was dieser ohne Einwand
tat. Als die beiden schließlich durch die langen, kahlen Flure auf
den sterilen, kahlen Asphaltvorplatz des Instituts heraustraten,
sauste um die Ecke ein windschnittiges, schwebendes Gefährt mit getönten Scheiben heran. Der Intensität des
Auftrittes wären quietschende Reifen durchaus angemessen gewesen,
der technische Fortschritt ließ jedoch nur ein mäßig rebellisches
Surren zu, welches beim Anhalten langsam verklang.
„Oh nein, Outlaws!“, sagte der
bildschöne Mann im Kittel beinahe überrascht, „Öhm…“, fügte
Stefan hinzu. Aus dem Schwebegefährt sprangen vier maskierte
Menschen, die verglichen mit den Personen, die Stefan bisher zu
Gesicht bekommen hatte, tatsächlich allesamt wie Punks aussahen. Mit
ihren nicht streng zur Seite gekämmten Kurzhaarfrisuren und den
Hemden, deren oberer Knopf jeweils offen war. Eine Person sprühte
dem Professor ein Gas ins Gesicht, der daraufhin bewusstlos zu Boden
sank, zwei Personen packten Stefan an je einem Arm und schoben ihn
sanft, aber bestimmt in das Fahrzeuginnere und die vierte Person
hielt während der Aktion die Wagentür auf und rief den
MitstreiterInnen motivierende Anweisungen zu. Schnell waren alle
vier, sowie Stefan, im Inneren des Gefährts, das daraufhin mit
leider nicht quietschenden Reifen, dafür aber mit einem
unaufdringlichen Brummen davon sauste.
Stefan saß seinen Entführern
gegenüber, die sich nun die Masken vom Gesicht zogen und sich als
ebenso makellos schöne, wenn auch nicht ganz so makellos gekleidete
Personen entpuppten.
„Stefan Schmitt?“, fragte ein
junger Mann,
„Öhm… ja?“
„Wir sind eine Gruppe im Untergrund
lebender FreiheitskämpferInnen, aber sei unbesorgt, wir werden dir nichts
tun! Wir sind die 'Organisation zum Erhalt der Menschlichkeit', kurz
die OEM.“
„Öhm…“,
„Genau. Stefan, ich darf doch Stefan
sagen, oder? Stefan, wir bedauern den unfeinen Umgang mit dir, ich
fürchte aber, um an dich ranzukommen, blieb uns leider keine Wahl.
Wir haben Großes mit dir vor.“
„Öhm, ja?“,
„Ja, siehst du, wir, Als OEM, sind der Überzeugung, dass unsere Gesellschaft
bei dem Streben nach Perfektion der letzten Jahrhunderte jegliche
Menschlichkeit verloren hat, verstehst du? Wir wissen vor lauter
allumfassender, Schönheit und Unfehlbarkeit nicht mehr, welche Ideale wir verehren
sollen. Wir sehnen uns nach Makel, Hässlichkeit, Gestank und
Dummheit. Also nach Menschen, wie dir, Stefan!“
„Öhm…“
„Verstehst du, wir sind große
Verehrer deiner unübersehbaren Mängel. Sie sind es, die unsere
Gesellschaft wieder liebens- und lebenswerter machen können. Aber
nicht, mit Genmaterial, dem im Institut jegliche Individualität
herausoptimiert wurde. Wir wollen den echten Stefan. Deshalb bitten
wir dich, mit uns in den Untergrund zu gehen um mit uns eine
parallele neue Generation aufzuziehen.“
„Öhm, ok… Habt ihr auch so eine Abzapf-Dings-Maschine?“
„Nein, dafür fehlt das Budget. Aber
einige gebärfähige Mitstreiterinnen haben sich gemeldet um das
Projekt 'Operation Menschlichkeitsrückoptimierung' auf natürliche
Weise zu unterstützen. Stefan, wie sieht es aus, können wir auf
dich zählen?“
„Öhm, klar, sicher, ja, ok.“
„Großartig!“
die UntergrundkämpferInnen im Fahrzeug klatschten nicht ganz exakt getaktet, lachten ein wenig und klopften Stefan auf Rücken und Schultern.
die UntergrundkämpferInnen im Fahrzeug klatschten nicht ganz exakt getaktet, lachten ein wenig und klopften Stefan auf Rücken und Schultern.
So fuhr Stefan Schmitt seinem neuen
Leben schulterzuckend entgegen. Als Urvater der neuen Menschheit und
als wichtigster Mann der Welt.
Ende.
Hier noch meine passende Songempfehlung zur Story:
Ende.
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Ach großartig und amüsant <3
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