Die goldene Blutwurst

 


Die goldene Blutwurst

Erster Akt – Planung
„In Bonn gibt es ganz vorzüglichen Tee.“,
„Den Besten servieren sie im Sudhaus.“
Alles klar. Sie, Deckname Älla Filck hatte sich allen Anschein nach auf der richtigen Parkbank niedergelassen. Ihr Kollege Eckfluss hatte den Kontakt zu dem Dritten im Bunde hergestellt und für diesen Tag Uhrzeit und Treffpunkt ausgemacht, damit auch Älla nun denjenigen kennenlernte, der das Trio für den Coup komplettieren würde. Eckfluss hatte auch den Tee-Sudhaus-Code ausgemacht, durch den sich sie und der neuen Kollege erkennen würden. Doch ob diese Chiffre wirklich nötig war? Denn FIlck hatte bereits eine recht sichere Ahnung, dass es sich bei dem Mann mit dem langen schwarzen Trenchcoat und der Sonnenbrille, der sehr offensichtlich über den Rand seiner Zeitung in die Ferne blickte, eventuell um den Neuen handeln könnte. Zu erwähnen wäre noch, dass er die Zeitung falsch herum in den Händen hielt, und die Headline des Hauptartikels „Lorem Ipsum“ lautete.
„Wir werden wohl morgen Abend zusammenarbeiten. Ich nehme an, du hast die wichtigsten Informationen bereits erhalten?“, murmelte Filck möglichst ohne dabei ihren Mund zu bewegen,
„Ja“, antwortete der neue Kollege, „Viel weiß ich nicht, aber ich weiß alles, was ich wissen muss, um uns gut durch die Geschichte durchzubringen. Unser gemeinsamer Freund Deckname, nein ähm ich meine natürlich, richtiger echter Name Zwei-N-Dennis Eckfluss hat mich informiert. “
„Und wie lautet dein ,richtiger echter Name’?“
„Mannfred. Zwei-N-Mannfred. Ich bin ehemaliger Rennfahrer und deswegen mit dem Fluchtwagen dabei. Ich fahre schnell. Ich kenne die Abkürzungen. Wir treffen uns morgen 22 Uhr unter der Brücke dort drüben. Ich bringe uns rein, ich bringe uns raus. Übergabe dann in der leerstehenden Tankstelle, Ecke Reuterstraße.“
„Ich verstehe. Gut, ehemaliger Rennfahrer Manfred.“
„MIT ZWEI N“,
„ohja natürlich Verzeihung, ManNfred. Gut. Ich denke, morgen werden wir mehr erfahren.“
„Ja. Wir sollten aber jetzt schonmal gewisse Dinge besprechen, damit es morgen alles reibungslos funktioniert. Du scheinst mehr zu wissen als ich. Was mir am wichtigsten ist: ich habe dir jetzt gesagt, wer ich bin und was meine Aufgabe ist. Ich weiß, dass Dennis Eckfluss ein Superprogrammierhackermann ist. Er wird die Sicherheitssysteme lahmlegen, so dass ihr sicher in das Gebäude kommt. Aber was ist mit dir, was ist deine Profession? Wer sagt, dass wir DIR trauen könne?“,
„Richtiger echter Name Älla Filck. Natürlich ist mir zu trauen, ich bin für die ganze Aktion unverzichtbar. Ich bin Mediengestalterin. Ich habe ein gutes Auge für Dinge. Ich kann Falschgeld erkennen, falls  zum Beispiel Comicsans als Schrift verwendet wurde. Wenn das rote Alarmlicht angeht, kann ich dir die ungefähren Farbwerte nennen. Das hat was mit dem Lichtspektrum zu tun, verstehst du? RGB vermutlich 255,0,0“,
„Interessant, und der Hexadezimalfarbcode?“
„Keine Ahnung, Dennis ist der Programmierer. Naja, und abgesehen von meiner unverzichtbaren fachlichen Expertise, kann ich durch Schächte kriechen, schleichen, sprinten, Sachen holen. Du verstehst? Ihr seid für das Fahren und für das Sicherheitssystem da, ich kralle mir die Beute.“
„Verstehe“, sagte Mannfred, „und was weißt du über das Zielobjekt?“
„Es handelt sich um eine Skulptur. ,die goldene Blutwurst’. Unsere Organisation wurde beauftragt, sie für einen Interessenten zu beschaffen. Ein sehr reicher Mann, der sie für seine persönliche Sammlung will. Ein lukrativer Auftrag. Der Käufer zahlt eine Million, wovon ein Viertel direkt an uns drei geht, der Rest geht an die Organisation, also in die Krimo-Kasse. Aber die Kohle ist nur eine Sache. Ich glaube, wenn wir das Ding durchgezogen haben, haben wir endgültig das Vertrauen vom Boss. Dann spielen wir in einer anderen Liga mit. Das wird groß, Mannfred. Ganz groß.“
„Oh ja. Die goldene Blutwurst. Ich glaube, ich habe davon gehört. Klingt für mich nach einem Kinderspiel, Älla. Dann dürfte für morgen soweit alles klar sein. Also. 22 Uhr dort drüben. Seid pünktlich!“ Mit diesen Worten faltete er seine Zeitung sehr laut zusammen, stand auf und rief mit falschem bayerischem Akzent in den Park: „Soo, I hob Mei normalen Zeitung fertiggelesn und I geh jetz noch ondere unauffällige und legale Dinge tuan. Servus.“
Dann schritt er von dannen, während er noch: „Dieses Treffen hätte auch eine E-Mail sein können.“ murmelte.


Zweiter Akt – Der Coup
„In Bonn gibt es ganz vorzüglichen Tee.“,
Ein Seufzen.
„Älla, wir kennen uns bereits. Ich hab mir diesen Code ausgedacht.“
„Du könntest auch jemand mit Dennis-Maske sein …“
Ein Seufzen.
„Den Besten servieren sie im Sudhaus. Als ob es so realistische Masken gäbe …“,
„Oh Hallo Denis, ich meine natürlich ,Dennis’. Schöner Treffpunkt. Wie gehts so?“
„Gut …“,
„…“,
„Haben wir schon 22 Uhr?“,
Wie zur Antwort kam um die Ecke ein großer schwarzer Kleinbus mit getönten Scheiben angefahren, auf denen Fotos verdächtig harmlos aussehender Stockfoto-Menschen von Kindes- bis Erwachsenenalter aufgeklebt waren. Der Wagen hielt neben den Beiden, die Scheibe der Fahrerseite fuhr herunter. Den Mann im Wagen erkannten Dennis und Älla trotz der fehlenden Sonnenbrille gleich wieder. Mannfred der Fahrer.
„Hahaaa“, rief Mannfred aus, „In diesem Auto sitzt in Wahrheit gar keine sehr normale Familie. Es handelt sich dabei nur um Scheibenaufkleber.“
Dennis und Älla nickten anerkennend, stiegen ein und Mannfred fuhr los. Noch ehe einer der dreien ein Gespräch über das Wetter starten konnte, war der Wagen um zwei Ecken gefahren und erneut zum stehen gekommen.
„Wir sind da“.
Sie blickten aus dem Fenster. Mannfred hatte direkt vorm Eingang des Museums gehalten. Sie öffneten den Wagen und schlichen hinaus. Älla brachte sich vor der Eingangstür in Position – bereit loszusprinten, während Dennis ein USB-Kabel in den überaschenderweise dafür vorhandenen Slot in das Bedienfeld der Alarmanlage stöpselte. Das andere Ende des Kabels schloss er an seinen Laptop an. Grüne Ziffern flogen über den dunklen Monitor und er tippte konzentriert und angespannt drauf los. Das Gerät piepte, nöpte und knatterte, bis schließlich eine Warnmeldung aufblinkte.
„Oh“, sagte Dennis.
„UIIIIIUIIIIIIUIIIII“ … antwortete das Gebäude. Grelles rotes Licht blinkte vom Inneren des Museums nach draußen.
„255,0,0“, rief Älla,
„Beziehungsweise #FF0000“, fügte Dennis hinzu,
„Abbruch?“, fragte Mannfred vom Inneren des Fahrzeugs, die Hände bereits am Lenkrad,
„Nein!“, rief der Superprogrammierhacker, „ich krieg das noch hin. Ich kenne Sicherheitsfirmen. Ich muss den Alarm nur früh genug deaktivieren, dass der Zuständige glaubt, es wäre ein Fehler. Gebt mir zwei Minuten! Dann ist Ruhe, und die Tür geht auf.“ Er lies alle Finger knacken und haute noch schneller als zuvor in die Tasten.

Einige Straßen weiter saß Ingolf Rödelheimer von Schmötter Security Chips-schmausend in seinem Büro und schaute sich pikante Romantikfilmchen auf seinem Smartphone an, als sein Blick von dem unheilvollen, selten ertönendem Piepton und dem roten Blinken auf die Konsole gelenkt wurde. Der Alarm des Schmaus-Museums wurde ausgelöst.
„Ohnöööö“, stöhnte er, „ohnöööö, das ist doch bestimmt nur ein Fehler. Oah das geht doch gleich bestimmt wieder aus.“
Er blickte einige Zeit auf die Konsole. Es piepte und blinkte weiter.
„ooooah. Da hat doch bestimmt nur jemand was vergessen und nicht gemerkt, dass die Anlage scharf geschaltet ist. Das wird bestimmt gleich ausgemacht.“
Es piepte und blinkte weiter.
„Maaaaann, och neeee“, stöhnte Ingolf und erhob sich von seinem Sitz. bevor er nach seiner Jacke griff, blickte er noch einmal hoffnungsvoll auf die Konsole. Es piepte und blinkte.
„Och mann. Och nöö.“ Er blickte traurig zwischen seinem Handy, der noch halbvollen Chipstüte und dem Monitor hin und her. Dann seufzte er, griff nach der Jacke und verließ das Büro.


Älla und Mannfred starrten Eckfluss schwitzend an. Und auch er schwitzte, während er wild tippte. Dann endlich rief er auf „HA! Klammer nicht geschlossen. Hier, jetzt aber! Haha!“

Als Ingolf Rödelheimer die Bürotür schon beinahe hinter sich geschlossen hatte, verstumme der Piepton und das rote Licht auf dem Monitor erlosch. Ingolf atmete auf, ging zurück ins Büro, warf seine Jacke wieder in die Ecke, ließ sich wieder auf seinem Stuhl nieder und widmete sich Chips und Filmchen.
„Na sag ich doch. Mann Mann, was ein Stress du, Mann Mann!“.

Am Museum verstummte der Alarm und die Tür schwang auf. Älla rieb die Hände, nahm Anlauf und machte eine Rolle vorwärts in das Gebäude hinein. Sie kam zum stehen, drückte sich mit dem Rücken an die Wand und blickte von links nach rechts. Nur wenige Schritte vom Eingang entfernt sah sie es. Auf einem Podest in der Mitte des Foyes stand eine goldene Wurst, von deren Zipfeln jeweils rubinrotes Gestein zum Sockel reichte, als würde Blut aus der Wurst herabfließen. Die goldene Blutwurst. Filck rollte sich Meter für Meter in ZickZackformation näher an die Skulptur heran, bis sie das Podest erreichte. Sie ergriff die Skulptur und legte zeitgleich ein ähnlich schweres Stoffbündel als Ersatz auf das Podest.
Dann drehte sie sich um und sprintete die fünf Schritte aus dem Gebäude. Gerade so schaffte sie es noch, ihre Mütze, die kurz vorm Ausgang im Inneren des Museums zu Boden gefallen war, nachzuziehen, ehe die Tür ins Schloss fiel. Mannfred ließ den Motor an „LOS JETZT“, rief er. Dennis und Älla sprangen in den Wagen, der nun mit quietschenden Reifen losfuhr.


Dritter Akt – Übergabe
„In Bonn gibt es ganz vorzüglichen Tee.“,
„Oh“, sagte der Auftraggeber, der den dreien grinsend in der leerstehenden Tankstelle gegenüberstand, „die E-Mail mit der Erkennungschiffre muss im Spam gelandet sein. Was muss ich denn jetzt darauf antworten?“
Dennis tippelte zu dem Auftraggeber, flüsterte ihm etwas ins Ohr und tippelte wieder neben die anderen beiden.
„Ähm, ja also den Besten servieren sie im Sudhaus“, sagte der Fremde.
„Gut“, sagte Mannfred, „sie sind offensichtlich der Richtige. Älla?“,
Älla nickte, schritt vor und überreichte dem Mann die goldene Skulptur, der sie ehrfürchtig erregt entgegennahm.
„Das Geld!“, rief Dennis,
„Ja, natürlich“. Der Käufer zog hinter einem Regal einen Koffer hervor, und überreichte ihn Älla. Sie entfernte sich ein paar Schritte von dem Mann, legte den Koffer auf die Verkaufstheke, öffnete ihn und blickte hinein. Es schien beinahe, als strahle sie etwas aus dem Koffer heraus an.
„Sind wir glücklich?“ fragte Dennis und wiederholte, „Älla! Sind wir glücklich?“,
„Ja“, lachte sie, „Wir sind glücklich.“
Doch der Moment des Triumphs wurde jä unterbrochen, als durch die verbarrikadierte Tür, eine Polizeistaffel brach und die drei und ihren Auftraggeber umzingelten. Älla und Dennis erstarrten, während Mannfred sich grinsend zu der Hundertschaft gesellte.
„HAHAAA“, rief er triumphierend, „Dies ist der Moment, an dem ich euch verrate, ihr Schurken!“
„Soll das heißen“, rief Eckfluss, „du bist gar nicht der ehemalige Rennfahrer, Mannfred, der in der kriminellen Organisation Krimo aufgenommen werden will?“
„So ist es! Ich bin in Wirklichkeit der ehemalige Rennfahrer Mannfret mit T. Undercover eingeschleust, um euch in die Arme unserer Exekutiven zu treiben.“
„HAHAAA“, rief nun Dennis Eckstein, „Ich bin ebenfalls nicht der, für den ihr mich haltet. Ich bin in Wirklichkeit DENIS WINKELBACH, weltberühmter Abenteurer. Ich bin hier im Zuge meiner Zusatzausbildung zum Helden. Ich habe das Museum gewarnt – die goldene Blutwurst ist eine Attrappe. Ich wollte die Krimo unterwandern, um sie von innen zu zerschlagen.“
„HAHAAA“, rief nun auch Älla, „so haltet ein, auch ich bin nicht zu belangen. Ich bin ELLA FLICK – Investigativjournalistin in spe. Auch ich wollte in der Krimo Fuß fassen, um deren Machenschaften aufzudecken und an die Öffentlichkeit zu bringen. Der Polizei habe ich natürlich einen Hinweis auf unsere Pläne heute Nacht gegeben!“
Ella, Denis und Mannfret schauten sich abwechselnd gegenseitig an, bis sie schließlich lachten, als ihnen klar wurde, dass somit letztlich gar keine Straftat begangen wurde.
„Jetzt frage ich mich nur“, sagte Mannfret schließlich, und wandte sich an seine Kollegen von der Polizei, „wieso ihr mich nicht darüber informiert habt, dass Ella Journalistin ist, die euch einen Tipp gegeben habt.“
Die Polizisten warfen sich gegenseitig Blicke zu.
„Moment mal“, rief die Investigativjournalistin, sowie erfahrene Mediengestalterin, „der Polizeischriftzug auf den Uniformen – ist das etwa Comic Sans?“
„HAHAA!“, rief die Exekutive im Chor, jeder griff sich unters Kinn, riss sich Gesichts-Maske und Uniform ab und offenbaren darunter schwarze Overalls und schwarze Strumpfhosen über den echten Gesichtern. „Wir sind in Wirklichkeit“, meldete sich einer in der Reihe, „DIE KRIMO! Hier, um uns die Millionen zu holen“ die Waffen richteten sich nun auf Ella und den Koffer.
„HAHAAA“, meldete sich nun der komplett vergessene Auftraggeber zu Wort,
„Ich bin in Wirklichkeit“, er griff sich unters Kinn, riss die Gesichtsmaske und den mafiös anmutenden Anzug vom Leib und offenbarte darunter Cordhose, ausgeleiertes Bandshirt, Dreitagebart und Kappe, „SOZIALARBEITER! Ich locke Gangster in die Falle, um sie zu überreden, an unserem städtisch geförderten Resozialisierungsprogramm teilzunehmen. Hey Leute, ihr müsst keine Verbrecher sein. Schreibt euch nicht ab, werdet anständige Mitglieder unserer wundervollen Gesellschaft. Wir brauchen euch, Freunde!“
Die Kriminellen ließen die Waffen sinken und blickten den Sozialarbeiter an. Es flossen Tränen.
„Ja, ich komme mit“, meldete sich die erste Person. Weitere folgten. Bis schließlich die gesamte Gruppe geschlossen dem Sozialarbeiter in eine neue Zukunft folgten.

Mannfret, Denis und Ella blieben zurück.
„Nun“, sagte Ella nach einer Weile, „In dem Koffer ist aus irgend einem Grund echtes Geld …“
„Fällt bei dem ganzen Chaos vermutlich nicht auf, wenn wir das einfach behalten, oder?“, fragte Denis in die Runde,
„Bin dafür“, meldete Mannfret sich zu Wort.
„Wo war jetzt eigentlich die echte Polizei?“
„Echt kein Verlass auf die Bastarde“,
„Ja. Ich kündige bei denen“, sagte Mannfret, „hatte eh vor, die irgendwann zu verraten.“
Und so verließen auch die drei die Tankstelle und schritten in die Nacht. Zusammen mit einem Koffer voller Geld, von dem sie noch feststellen würden, dass nur die oben aufliegenden Scheine nicht mit Comic Sans bedruckt waren.

Ende.


Entstanden für Folge 12 von Deis und Ella lesen Dinge vor.

Thema: Der Verrat des Ehrenmannes




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