Stream & Drang Hausis
Hier findet ihr meine damaligen Hausis für „Stream & Drang“
Meine waaaas für waaaas?
Stream
& Drang war ein Twitch-Format des
Autoren/Poeten/Slammers/Moderatoren Fabian Navarro, in dem er den
Zuschauer*innen wöchentlich Tipps und Anregungen zum kreativen Schreiben
mit auf den Weg gegeben hat. Er stellte uns Aufgaben, die teilweise während des
Streams, und teilweise als Hausaufgabe (die Hausi) bis zum nächsten Stream bearbeitet wurden. Die Ergebnisse las er (sehr sehr schön) live im Stream vor und gab uns konstruktives und hilfreiches Feedback.
Der Stream war für mich eine wahnsinns Bereicherung. Es herrschte seitens Fabs und vom im Chat eine wundervoll wertschätzende, durch und durch positive Atmosphäre. Genau was ich gebraucht habe, um endlich wieder ins regelmäßige Schreiben zu kommen.
Ich bin Fabian Navarro dafür unendlich dankbar, und kann euch nur nahelegen: Folgt ihm auf allen Kanälen, geht zu seinen Lesungen, kauft sein Buch Miez Marple (bzw. bald auch die Fortsetzung). Es lohnt sich!
Hausi vom 19.05.2021. Aufgabe: Schreibt über zwei Figuren, die sich gemeinsam in einem Labyrinth (oder Ähnlichem) verlaufen und darüber diskutieren, wie sie wieder hinausfinden.
Dunkel
Es war dunkel. Ich sah nichts. Gar nichts. Ein Labyrinth ohne Licht? In Grunde eine wirklich schöne Idee, aber es machte keinen Spaß. Es war einfach nur frustrierend und fühlte sich bedrohlich an. Ich machte ein paar Schritte, stieß aber immer wieder gegen Wände.
„Wo bist du?“, rief ich.
„Ich bin hier.“
Ich folgte der Richtung, aus der deine Stimme kam, dabei immer mit den Händen nach Hindernissen tastend, und stieß schon bald gegen die nächste Wand.
„Mann ey, warum bist du nicht bei mir geblieben?“, fuhr ich dich an. Zugegebenermaßen in einem etwas zu schroffen Ton, aber ich war wütend. In so einem Labyrinth lässt man sich nicht alleine. Das war unsensibel. Unsensibel und dumm.
„Folge einfach meiner Stimme!“, riefst du. Du klangst dieses Mal noch ein Stück weiter entfernt als zuvor.
Ich schüttelte wütend den Kopf „Das ist ein Labyrinth, verdammt noch mal. Ich kann nicht einfach deiner Stimme folgen. So komm ich hier nicht weiter.“
Daraufhin sagtest du erstmal nichts. Ich wanderte eine Weile weiter durch die finsteren Gänge. Versuchte mir einzuprägen, wie oft ich in welche Richtung gegangen war. Versuchte, in der Wand Muster zu ertasten, an denen ich mich orientieren könnte. Nichts zu machen. Die Wände waren absolut glatt.
„Es tut mir leid, dass ich dich allein gelassen habe“, sagtest du traurig. So konnte ich dir nicht böse sein. Ich raunte versöhnlich, um dir zu zeigen, dass ich es dir nicht nachtragen würde, und damit du etwa ausmachen konntest, wie weit wir voneinander entfernt waren. Wirklich etwas dazu sagen wollte ich aber nicht. Zu anstrengend. Keine Ahnung, ob es an der Dunkelheit lag, jedenfalls wurde ich mit jeden Schritt müder. Du fingst an, irgendwelches Zeug zu erzählen. Lieb von dir. So konnte ich mich orientieren. Aber so leid es mir tat, deine Stimme nervte. Und irgendwie wollte ich mich gar nicht mehr orientieren. Ich wollte mich eigentlich am Liebsten nur der Müdigkeit hingeben. Mich ausruhen. Vielleicht nur mal eben die Augen zumachen.
„Nein“, riefst du, und du klangst … ängstlich, „Bitte komm zu mir!“
Okay, es nervte ein wenig, aber gut. Dir zuliebe. Ich raffte mich auf und folgte weiter deiner Stimme. Versuchte mich nicht davon entmutigen zu lassen, immer wieder gegen Wände zu laufen. Du klangst immer verzweifelter. Ich fing an, mir Sorgen zu machen. Ich beschleunigte meinen Schritt, deine Stimme wurde lauter.
Dann wurde es hell. Das unnatürliche grelle Licht brannte mir in den Augen. Ein monotones Piepen schreite mir in den Ohren. Schläuche hingen an mir wie Fesseln.
Doch langsam gewöhnten sich meine Sinne an die Flut von Eindrücken und ich sah dich. Du saßt neben mir am Bett und hieltst meine Hand fest umschlossen. Es sah so aus, als hättest du geweint, jetzt aber lächelst du.
„Hallo.“
Hausi vom 12.05.2021. Die Aufgabenstellung zu diesem Text lautete:
Denkt euch eine Superkraft aus und schreibt über eine Person, die diese besitzt oder gerade erlangt. Es kann, muss aber nichts Übernatürliches sein.
Hazeman
Zuversichtlich und tiefenentspannt wie immer spazierte Hazeman zum Ort des Geschehens. Er lächelte zufrieden, kickte eine leere Dose vor sich her und summte seine Lieblingsmelodie.
Jeder, der Hazeman aus der Ferne sah, war sich sicher, dass der junge Kerl mit dem Bartiktuch über Nase und Mund, und der ausgeleierten Kapuze über dem Kopf, was geraucht haben muss. Und diejenigen, die ihn aus der Nähe sahen – nunja … die stellten sich diese Frage nicht.
Hazeman hatte nichts geraucht. Noch nie. Er war einfach von Natur aus gemütlich und unbeschwert. Wie wohl jeder Mensch wäre, wenn er sein Leben lang nur von ebenso ruhigen Gemütern umgeben gewesen wäre.
Es hatte Jahre gedauert, bis Hazeman begriffen hatte, dass er anders war. Lange dachte er, Menschen wären eben so. Etwas albern, verpeilt und einfach gut drauf. Deswegen hatten ihn Film und Fernsehen immer verwirrt. Warum wurden die Leute da immer so anstrengend dargestellt? So voll mit Konflikten und so. Warum können die nicht einfach mal chillen?
Doch irgendwann hatte er begriffen, dass es an ihm lag. Dass ihn diese Aura umgab, die Einfluss auf jeden hatte, der sich in einem gewissen Umkreis um ihn befand. Und seit dieser Erkenntnis wusste er, dass er die Macht – naja, Macht … das Wort mochte er nicht. Klingt so autoritär … dass er die Good Vibes hatte, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen.
So wie an diesem Tag. Hazeman hatte wie immer den Polizeifunk abgehört, und es schien gerade eine größere Sache abzugehen. Nicht weit von seiner Wohnung. Zwei Gruppen, die sich nicht riechen konnten. Irgendwelche Gangs, da ging es um Revier, verpatzte Deals, Geld, sowas eben. Hazeman hatte sich sofort – naja was heißt sofort … er hatte sich recht bald auf den Weg gemacht. Und kam schließlich an.
Stressiges Bild, das sich ihm dort bot. Eine ganze Polizeistaffel in voller Montur stand um ca. 20 Männer, jeweils zehn auf einer Seite, die mit Waffen aufeinander zielten. Die Männer zitterten, ihre Augen starrten weit aufgerissen aus ihren rot angelaufenen Gesichtern und sie schrien sich mit bereits heiser werdenden Stimmen an. Eine maximal angespannte Situation, in der sich wohl niemand mehr fragte, ob, sondern nur noch, durch wen sie exkalieren würde.
Hazeman schob sachte zwei Polizisten zur Seite, schlurfte zwischen die beiden Fronten, setzte sich auf den Boden, grinste erst der einen, dann der anderen Gruppe zu und fragte: „S’geht?“
Eine Weile geschah nun nichts. Alle, sowohl Polizeikommando als auch die Gangster starrten den seltsamen Mann an, der da nun grinsend zwischen ihnen saß. Bis der erste aus den verfeindeten Reihen seine Schultern entspannte, sich mit dem Lauf seiner Uzi die Schläfe kratzte und fragte: „Boah habt ihr auch so Bock auf’n Ben & Jerrys?“
Hausi vom 24.03.2021. Die Aufgabenstellung zu diesem Text lautete:
Eine Einsendung zum Uwe Kaschinski-Preis von Wortlaut Ruhr zum Thema „Fernweh“
Zum Kallisto
Ein paar Menschen gingen einfach weiter und nahmen von der Szene gar keine Notiz. Die meisten aber hielten zumindest einen Moment inne, um zu schauen, was die wunderliche ältere Dame da tat. Manche vergaßen darüber sämtliche persönliche Vorhaben. Sie blieben stehen und beobachteten das Treiben der Frau. Irgendwann fand sich unter den Verharrenden ein Mann, der sich endlich traute, zu fragen:
„Was machen Sie da?“
„Stapeln.“, antwortete die Dame freundlich, ohne ihre BeobachterInnen anzuschauen und ohne ihre Arbeit zu unterbrechen.
„Warum stapeln Sie denn?“
„Weil ich weg möchte.“,
„Weg?“,
„Weg.“
„Wo möchten Sie denn hin?“
„Kallisto.“
„Kallisto?“
„Nun also zuerst dachte ich, Schweden wäre doch toll. Weil, wissen Sie, ich mag die Astrid-Lindgren-Bücher doch so gerne. Aber dann habe ich mir überlegt, wahrscheinlich ist das alles darin doch sehr romantisiert, und am Ende ist in Schweden eben gar nicht alles Bullerbü.“
„Hm, ja, das stimmt vermutlich.“
„Und selbst wenn es das doch wäre. In Bullerbü, da hätte ich ja auch nie Zeit für mich. Also habe ich mich stattdessen für den Jupitermond Kallisto entschieden.“
„Ach und deswegen …“
„Ja, genau, deswegen stapel ich hier die Dinge. Es wird wohl noch ein Weilchen dauern, aber ich denke, ich bin auf einem guten Weg.“
Die Frau nickte zuversichtlich, während sie die ausrangierte Kommode auf das Klavier wuchtete, welches auf dem alten Fahrrad balancierte, das erstaunlich standfest auf der alten Waschmaschine thronte, die auf dem Dach ihres Gartenschuppens stand.
Der Mann schaute ihr eine Weile weiter grübelnd zu, ehe er fragte: „Aber wird das nicht schrecklich einsam, wenn Sie dann auf Kallisto sitzen?“
„Nein“, antwortete sie selig und zufrieden, „einsam wird es nicht. Nur allein.“
„Aber warum wollen Sie denn allein sein? Mögen Sie denn niemanden?“
„Oh doch natürlich. Ich mag sogar die meisten. Aber meistens mag ich sie am liebsten aus der Ferne. Das ging aber nie so richtig, weil ich mich immer um andere kümmern sollte. Und natürlich auch wollte. Aber mehr noch sollte. Und jetzt will ich mich mal um mich kümmern. Damit ich endlich mal die Zeit habe, meinen Gedanken zuzuhören. Die habe ich bei all der Kümmerei nämlich ganz vergessen.“
Ein Murmeln ging durch die kleine Menge, die sich daraufhin langsam auflöste.
Die Dame stapelte und kletterte unbeirrt weiter. Ob die Menschen nun gegangen waren, weil sie sie mit ihren Worten verärgert hatte, war eine Frage, die sie noch vor ein paar Jahren lange beschäftigt hätte. Jetzt aber wollte sie sich davon nicht beirren lassen.
Es wäre ohnehin eine unbegründete Sorge gewesen. In Wahrheit hatten die Worte der Dame die Leute tief berührt. Und auch wenn die allermeisten von ihnen sich zwar persönlich nicht vorstellen konnten, auf die Gesellschaft anderer zu verzichten, fanden sie die Sehnsucht der Frau aber irgendwie doch sehr nachvollziehbar. Dass man ab und zu Zeit für sich selbst braucht, das kannten sie alle. Und diese fleißige, mutige Frau gehörte wohl zu denen, die nun einmal besonders viel davon brauchen. Es entstand bei den Menschen der Wunsch, sie beim Erreichen ihres Vorhabens zu unterstützen. Und als die Frau gerade feststellte, dass ihr das stapelbare Inventar ausgegangen war, und das, wo sie doch gerade erst Marshöhe erreicht hatte, sah sie, dass die Leute zurückkamen. Sie schoben Schubkarren bepackt mit Leitern, aussortierten Möbelstücken und dergleichen vor sich her. In der weisen Voraussicht, dass die Frau sicherlich schon auf eine Höhe angelangt sein dürfte, bei der das Anreichen der Spenden sich als schwierig erweisen würde, hatte eine Person ein altes Trampolin mitgebracht. Gemeinsam wurde es neben dem Kallistoturm aufgestellt, die einzelnen Bauteile mit Schwung darauf geworfen und so in die Höhe befördert. Oben fing die Staplerin die Teile gekonnt auf, verbaute sie fest auf der Turmspitze und setzte so Stück für Stück ihren Aufstieg zum Kallisto fort.
Beinahe hätten die Spenden gereicht. Als das letzte Möbelstück verbaut war und die Frau am obersten Gipfel ihres Turms stand, sah sie, wie Kallisto auf seiner Umlaufbahn gerade auf dem Weg zu dem Punkt war, an dem er ihr und der Erde am nächsten sein würde. Als sie ihn aber so auf sich zufliegen sah, wurde ihr klar: Das würde nicht ganz reichen. Ihre Zuversicht, Geduld, ihre Überzeugung, ihr Mut, all das verpuffte mit jeder Sekunde, die der Jupitermond näher kam, etwas mehr. Sie hatte wirklich geglaubt, an einen Ort gelangen zu können, an dem sie zufrieden sein könnte. An dem sie ganz sie selbst sein könnte. Aber wie so oft würden all ihre Bemühungen am Ende nicht ganz reichen. Der Turm war zu kurz. Es waren nur wenige Meter, aber er war zu kurz.
Das erkannte auch der Herr, der vorhin noch mit ihr geplaudert hatte, und der ihren Aufstieg mit seinem Fernglas von unten beobachtete.
Beherzt schnappte er sich das Trampolin, das ja nun anderweitig nicht mehr benötigt werden würde, und eilte der guten Dame hinterher. Gerade zur rechten Zeit war er hoch genug geklettert, um es ihr zu überreichen. Mit dieser unverhofften Chance, die letzten Meter nun doch noch überwinden zu können, kehrte auch ihre Zuversicht zurück. Sichtlich gerührt nahm sie das Trampolin entgegen, platzierte es an oberster Spitze, sprang mit voller Kraft davon ab und wurde sanft auf die samtig weiche Oberfläche des Kallistos befördert.
„Schreiben Sie einfach, wenn Sie genug alleine waren. Wir können Sie dann wieder abholen.“, rief der Mann ihr noch hinterher, als Kallisto sie auf seiner Umlaufbahn weitertrug.
„Oh vielen lieben Dank“, antwortete sie, „das mache ich bestimmt. Und wann immer ich mich der Erde zudrehe, werde ich winken.“
Dann legte sie sich ins kuschelige Kallistogras und lauschte ihren Gedanken.
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