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Nächster Vorlese-Stream am 04.05.2024

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Denis Winkelbach und ich lesen wieder Dinge im Internet vor. Wir brechen ausnahmsweise den üblichen Rythmus (jeder zweite Monat, der letzte Sonntag) und lassen uns diesmal noch eine Woche mehr Zeit. am 04.05. um 19:00 Uhr auf twitch.tv/hirnbraten Das Thema steht noch nicht fest, ihr könnt noch ein paar Tage hier mitabstimmen:  Themenabstimmung Über diesen Link findet ihr übrigens unseren neuen YouTube-Account, auf dem wir nach und nach alte Folgen hochladen werden.

Was auch immer uns antreibt

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Das Leben neigt dazu, gnadenlos repetitiv zu sein. So geschah es zum Beispiel auch an diesem Tag, dass sie aufwachte. Sie öffnete die Augen und starrte zu den Deckenpaneelen. Eine ganze Weile. Da war dieser Fleck. Dieser einstige, nie überstrichene Wasserschaden. Immerhin kein Schimmel. Glaubte sie. Würde sie den Fleck nur lange genug betrachten, offenbarte seine Form ihr vielleicht Hinweise auf die großen Fragen des Lebens. Wobei es ihr für den Moment schon ausreichen würde, wenn er ihr verriet, wie sie die Energie aufbringen könnte, das Bett zu verlassen. Denn die Zeit war so ungnädig, unbeachtet ihres Unvermögens irgendetwas zu tun, einfach weiterzulaufen. Was könnte es sein, was würde ihr Antrieb verleihen? Was wäre ein Grund, eine Motivation? Oder – besser – was würde sie konstant so reich versorgen, dass Aufstehen, und alles, was anschließend noch so folgen würde, sich gar nicht wie unsichtbare Hürden anfühlte, die es erst einmal zu überwinden galt. Wenn sie dieses ...

Fünf kurze Geschichten über Kürze

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  1. Geschichte Schöner Anblick – Schöner Tag. Mein Kopf hat sich heute noch nicht entschieden, wie es mir geht. Das Leben ist von immergleichen, weder guten noch schlechten Abläufen geprägt und die guten wie schlechten Nachrichten, seien es globale oder persönliche, scheinen mir recht ausgeglichen vertreten. Das Leben ist, ich bin, der Tag ist neutral. Ich schätze, das ist nicht die übelste Ausgangssituation. Dieser Tag ist ein weißes Papier, soll doch die Welt schauen, was sie darauf malt. Ich gehe durch die Straßen und lasse die Dinge, die ich sehe entscheiden, wie es mir geht. Schön, diese Verantwortung abzugeben. Und das erste, worauf mein Blick fällt, ist ein Liebespaar. Um genauer zu sein: ein altes Liebespaar. Nach meiner Schätzung, auch wenn ich wenn ich in solchen Fragen gerne mal weit danebenliege: sehr alt. Sie stützen einander. Er flüstert ihr etwas ins Ohr, sie kichert, er greift nach ihrer Hand und gemeinsam spazieren sie die Promenade entlang. Ein kurzer Anblick, de...

Ebenina Screege

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  Marley war tot, damit wollen wir beginnen. Es ist wichtig, dies zu betonen, um die Tragweite der Begegnung hervorzuheben, von der ihr bald hören werdet. Marley war ohne Zweifel sehr sehr tot. Äußert lebendig, auf der anderen Seite, war seine Geschäftspartnerin, sowie engste und einzige Vertraute im Leben, Ebenina Screege. Marley unter der Erde, und Screege am Leben zu wissen, erfüllte einige mit Menschen mit Freude. Denn Marley war kein beliebter Mann gewesen. Er galt als kaltherzig und ungerecht. Dabei war er durchaus großzügig gewesen. Er hatte viel seines hart ererbten Geldes an große Unternehmen und Politiker gespendet, auf das diese die gesamte Gesellschaft reicher machten. Zumindest im Durchschnitt. Und er hatte stets mit besten Absichten Motivationsansprachen auf den Lippen gehabt, um der arbeitenden, jedoch nicht wohlhabenden Bevölkerung, mehr Arbeit, und folglich mehr Wohlstand nahezulegen. Er hatte jedoch zeit seines Lebens zu einer gewissen Gleichgültigkeit und Häme ge...

Der Beobachter

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 Es hatte sich etwas verändert. Die Welt. Vor einigen Stunden hat sie noch Sinn ergeben. Aber jetzt? Marlas Tag hatte ganz normal begonnen. Beinahe. Da war nur dieses … Gefühl. Aber nein, das war nichts. Wohl nur ein Unbehagen, das sie aus einem Traum mitgebracht hatte, an den sie sich bereits nicht mehr erinnern konnte. Nein. Es war ein normaler Morgen. Aufgestanden. Geduscht. Angezogen. Make up aufgelegt. Beim Frühstück haben Theo und sie sich darauf geeinigt, dass sie Lachsgratin zu Abend essen würden. Sie würde nach der Arbeit den Guten in der Markthalle besorgen. Nach der Arbeit. Ein Abschiedskuss. Der kurzfristige Entschluss, das Fahrrad stehen zu lassen und zu Fuß ins Büro zu gehen. Denn sie war früh dran, hatte Zeit und wollte das Wetter genießen. Das Wetter. Es war doch sonnig. Warm. Angenehm. Normal. Alles normal. Beinahe. Nur dieses Kribbeln im Nacken. Der Arbeitstag. Nicht stressig, nicht langweilig. Angenehmes Arbeitspensum. Keine Dramen, harmlose Lästereien in der Kaf...

Ein Kuss für Tante Monsternase

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Verwandschaftsbesuch bei Bente. Die ganze Woche schon und noch bis morgen. Die Oma ist da. Und Onkel Kalli ist auch da. Mit Thea. Die wohnt schon seit letztem Jahr bei Onkel Kalli und nächstes Jahr werden die beiden heiraten. Bente mag es, wenn Trubel im Haus ist. Oma hat Bente die letzten Tage ganz viel vorgelesen und sie haben gemeinsam Puzzles gelöst. Onkel Kalli hat Bente ganz viele Witze beigebracht und Thea hat mit Bente ganz viel fangen und verstecken gespielt. Schade, dass morgen alle schon wieder nach Hause fahren. Aber Bentes Papa hat versprochen, dass sie ganz bald auch mal mit Oma zusammen Kalli und Thea besuchen fahren. Das freut Bente. Am Nachmittag stehen Mama und Papa und Kalli und Thea zusammen und reden komisches langweiliges Zeug und sehen aber dabei, das wundert Bente immer, gar nicht so aus, als würden sie sich langweilen. Sie gucken sogar so, als würde es ihnen Spaß machen. „Blablabla Wertanlage“, sagen die, und „Blablabla Vorsorgeuntersuchung“. Bente versteht nic...

Ersthelfen Extreme

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    Ersthelfen Extreme „… und was wäre in dieser Situation das Schlechteste, was man machen kann?“ „Gar nichts!“ „Soooo!“ Beate nickte und klatschte zweimal in die Hände, um die Teilnehmenden ihres Erste-Hilfe-Kurses für diese korrekte Chor-Antwort, zu belohnen. Wie jedes Mal hatte sie das auch diesem Kurs in den letzten drei Stunden mantrahaft eingetrichtert. Die Teilnehmenden belohnten sich ebenfalls. Mit Fiepsen, Nicken und teilweise überdeutlichem Augenrollen, das bei Sitznachbar*innen keinen Zweifel übrig lassen sollte, dass einem das sowieso schon von Anfang an und überhaupt schon seit immer klar gewesen ist. Letztere waren für Beate immer die anstrengendsten Leute. Diese „Ich habe schon einmal 110 gewählt, ich kenn mich bestens aus und könnte diesen Kurs theoretisch selbst leiten!“-Fraktion. Da waren ihr sogar die „Ich will meinen Führerschein und brauch den Wisch dafür und sitze deswegen meine Zeit hier ab“-Leute tausendmal lieber. Also, vermutlich würden die das nicht...

Die goldene Blutwurst

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  Die goldene Blutwurst Erster Akt – Planung „In Bonn gibt es ganz vorzüglichen Tee.“, „Den Besten servieren sie im Sudhaus.“ Alles klar. Sie, Deckname Älla Filck hatte sich allen Anschein nach auf der richtigen Parkbank niedergelassen. Ihr Kollege Eckfluss hatte den Kontakt zu dem Dritten im Bunde hergestellt und für diesen Tag Uhrzeit und Treffpunkt ausgemacht, damit auch Älla nun denjenigen kennenlernte, der das Trio für den Coup komplettieren würde. Eckfluss hatte auch den Tee-Sudhaus-Code ausgemacht, durch den sich sie und der neuen Kollege erkennen würden. Doch ob diese Chiffre wirklich nötig war? Denn FIlck hatte bereits eine recht sichere Ahnung, dass es sich bei dem Mann mit dem langen schwarzen Trenchcoat und der Sonnenbrille, der sehr offensichtlich über den Rand seiner Zeitung in die Ferne blickte, eventuell um den Neuen handeln könnte. Zu erwähnen wäre noch, dass er die Zeitung falsch herum in den Händen hielt, und die Headline des Hauptartikels „Lorem Ipsum“ lautete. ...

Ilse Wobbel

Da stand Ilse nun also in einem sterilen Wartebereich, wie sie schon etliche zuvor gesehen hatte. Ein Traum aus Weiß, Grau und Beige. In der Hand hielt sie ein Zettelchen. Darauf zu lesen, die Nummer 109.253.147.378. Auf einem Monitor über einer Tür blinkte die Nummer 109.253.147.347 auf. Das ging ja. Die teils schon recht abgenutzten Polstersitze waren allesamt besetzt. Mit Menschen, an deren Gesichtern man ablesen konnte, wie lange sie hier wohl schon warteten. Während Neuankömmlinge wie Ilse noch dieses halb verängstigte, halb freudig erwartende Leuchten in den Augen hatten, konnte man, wenn man durch die Reihen blickte, immer mehr Gähnen, Stirnrunzeln bis hin zu totem Geradeausstarren beobachten. Ein kleiner Brunnen pumpte einen modrig duftenden Wasserstrahl in grobkörniges Tongranulat, ein Kaffeeautomat zischte und röchelte, und es lief eine sanfte Loungemusik, die gerade so dezent war, dass ein Ohrwurm oder irgendeine Emotion dazu nahezu ausgeschlossen war. Ab und zu unterhielten...